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Antibiotikaresistenzen gehören zu den größten Herausforderungen der modernen Medizin. Immer mehr Bakterien entwickeln Resistenzen gegen gängige Wirkstoffe, sodass selbst einfache Infektionen potenziell tödlich werden können. Doch eine bahnbrechende Fallstudie, veröffentlicht in Antimicrobial Agents and Chemotherapy, zeigt einen neuen, vielversprechenden Weg auf.
Die Studie beschreibt, wie ein individuell zusammengestellter Bakteriophagen-Cocktail erfolgreich zur Behandlung einer lebensbedrohlichen, multiresistenten Acinetobacter baumannii-Infektion eingesetzt wurde. Das Ergebnis ist medizinisch wie menschlich beeindruckend – und ein Hoffnungsschimmer im Kampf gegen Superkeime.
Im Mittelpunkt der Studie steht ein 68-jähriger Mann, der nach einer Operation eine systemische Infektion mit A. baumannii entwickelte. Der Keim war gegen nahezu alle bekannten Antibiotika resistent – eine klassische Therapie war damit unmöglich. Die Infektion breitete sich im ganzen Körper aus, führte zu einer Sepsis und lebensbedrohlichen Komplikationen. Die Prognose war düster.
In einem außergewöhnlichen Schritt entschieden sich die behandelnden Ärzte für eine experimentelle Phagentherapie. Bakteriophagen sind Viren, die gezielt Bakterien befallen, deren Zellen zerstören und sich dabei vermehren. Obwohl Phagen schon seit Jahrzehnten erforscht werden, erleben sie erst in den letzten Jahren eine Renaissance – vor allem im Kampf gegen resistente Erreger.
In diesem Fall wurde die Therapie vollständig personalisiert. Gemeinsam mit der Navy’s Biological Defense Research Directorate und dem Biotech-Unternehmen AmpliPhi Biosciences wurden spezifische Phagen identifiziert, die gezielt gegen den bakteriellen Erreger des Patienten wirkten. Das Ergebnis war ein maßgeschneiderter Phagen-Cocktail, exakt auf den Keim abgestimmt.

Die Phagen wurden intravenös verabreicht, begleitet von einer reduzierten Antibiotikatherapie. Die Verträglichkeit war hervorragend: Es traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf, und das Immunsystem des Patienten neutralisierte die Phagen nicht.
Die Wirkung war eindrucksvoll. Die Organfunktionen stabilisierten sich, und die Zahl der Bakterien im Körper ging deutlich zurück. Innerhalb weniger Wochen konnte die Infektion kontrolliert werden. Auch wenn der Patient später aus anderen Gründen verstarb, gilt die Phagentherapie als voller Erfolg – sie stoppte eine ansonsten tödliche Infektion.
Dieser Fall zeigt eindrucksvoll, welches Potenzial in personalisierter Phagentherapie steckt. Die wichtigsten Erkenntnisse:
Die Studie widerlegt die Annahme, dass bei „Superbugs“ nichts mehr hilft – im Gegenteil: Sie zeigt einen gangbaren Weg, wo bisher keiner war.
Mit der globalen Zunahme resistenter Keime rückt die Phagentherapie stärker in den Fokus. Diese Studie beweist, dass Phagen nicht nur im Labor, sondern auch im klinischen Alltag wirken können – und das sicher und effektiv.
Künftige Studien müssen nun optimale Dosierungen, Langzeitwirkungen und mögliche Resistenzen weiter erforschen. Doch schon jetzt steht fest: Die Phagentherapie könnte bald ein fester Bestandteil moderner Infektionsmedizin werden.
Quelle: https://journals.asm.org/doi/full/10.1128/aac.00954-17